Nur nicht zu nett sein! Wie uns eigene Ängste Chancen verstellen
Wer zu nett ist, läuft Gefahr, ausgenutzt oder übervorteilt zu werden. Deshalb zeigen viele Menschen lieber nicht zu viel Empathie, sondern verstecken sich hinter ihren Rollen, Uniformen oder Titeln. Der Grund liegt oft in sozialen Ängsten, allen voran jene, keinen Respekt zu bekommen. Dabei ist es möglich, mit Empathie und natürlicher Autorität Geleit zu geben, statt hart und hölzern zu agieren. Denn Sympathie und Respekt in der richtigen Balance sind kein Widerspruch.
Ängste und Verhaltenstypen
Wenn wir unser Verhältnis zu anderen Menschen betrachten, läuft jede Begegnung zuerst unbewusst ab. Unser inneres System prüft blitzschnell: Freund oder Feind? Wir bewegen uns dabei stets auf der Wippe zwischen Sympathie und Respekt. Jene, die Respekt mit Nachdruck aufbauen müssen, verlieren dabei meist Sympathie. Warum Menschen lieber Abstand halten und auf Sympathie verzichten, ist meist persönlichen Ängsten geschuldet. Der Psychoanalytiker Fritz Riemann beschreibt in seinem Werk Grundformen der Angst vier wesentliche Grundängste, die unser soziales Verhalten prägen:
Die Angst vor Hingabe prägt Menschen, die sich lieber von anderen abgrenzen. Natürlich wollen wir alle unverwechselbar sein. Manche empfinden jedoch einen starken Druck, alles selbst machen zu müssen und anderen nur bedingt zu vertrauen.
Die Angst vor Selbstwerdung bildet fast das Gegenteil ab: Diese Menschen brauchen andere, zum Beispiel Partner oder ihr Team so sehr, dass sie sich dabei selbst im Stich lassen. Sie opfern sich auf, werden häufig enttäuscht und fragen sich am Ende, warum genau ihnen immer so etwas passiert.
Die Angst vor Veränderung resultiert aus der natürlichen Sehnsucht nach Dauer, Geborgenheit und Kontinuität. Sie führt zu der Befürchtung, etwas könne sich verändern und man ist nicht darauf vorbereitet. Menschen mit Angst vor Veränderung schaffen sich Respekt durch penible Vorbereitung, Absicherung, Kontrolle.
Die Angst vor Notwendigkeit bildet den Gegenpol ab: Wer von ihr geprägt ist, dem sind Kontrolle und akribische Vorbereitung zuwider. Diese Menschen lieben den Reiz des Neuen, die Freude am Risiko und suchen eine spezielle Art von Respekt: Bewunderung. Deshalb sind sie oft wortgewandt, charmant, gerne unter Menschen und pflegen einen schillernden Lebensstil.
Die Balance erreichen und authentisch bleiben
Klare Kommunikation braucht Balance, sonst ist eine Seite unausgewogen und im Nachteil. Wer sich selbst beobachtet, wenn neue Kontakte geschlossen werden, kann daraus interessante Schlüsse über den eigenen Angst- und Persönlichkeitstypus ziehen: Ist es eher die professionelle Distanziertheit oder der liebenswürdige, freundschaftliche Weg? Distanz schafft zwar meist Respekt, kann allerdings unnahbar, sogar arrogant wirken. Nähe verleiht Sympathie, kann andere aber dazu verleiten, Grenzen nicht zu respektieren.
Ein Bild, das vielen hilft, eine natürliche Balance aus Sympathie und Respekt zu erlangen, ist jenes der Gastgeberschaft. Auch Art of Hosting genannt, sieht man sich dabei als wohlwollende Gastgeberin oder Gastgeber, die für sich Verantwortung übernimmt und anderen Menschen Geleit gibt. Das bedeutet: Klare Worte, freundliche Haltung und positive Stimmung. Es bedeutet auch, mögliche Bedenken oder Ängste des Gegenübers einschätzen zu können und konstruktiv zu reagieren. So entsteht jene Atmosphäre, die es braucht, um natürlichen Respekt aufzubauen – ganz ohne Spielchen, Verstecken hinter Rollen oder unnötiger Härte.
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